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Mehr erfahren zu Tanz in München! Im TTmag sprechen Tanzschaffende über Ihre Ästhetik und Herangehensweise, werden Tanzformate und Münchner Tanzthemen unter die Lupe genommen!
 

Gespräche zu Stücken
Johanna Richter: see the music - and dance!



Johanna, das Konzept deiner neuen Choreografie klingt nach einer synästhetischen Erfahrung: dass man Musik sehen kann. Wie kam es dazu?

Ich versuche in meinen Projekten immer, ein möglichst breites, multikulturelles Publikum anzusprechen, auch ein Publikum jenseits des üblichen Tanzpublikums. Ich bin bereits mehrfach vom Migrationsbeirat der Landeshauptstadt München für meine interkulturellen Produktionen gefördert. Bei diesem Projekt habe ich mir überlegt: Wie lockt man Menschen mit Hörbeeinträchtigung ins Musik-/Tanztheater? Finden wir vielleicht eine tänzerische Sprache, die Musik sichtbar macht? Eine, die unsere Vorstellungskraft so schult, dass wir fähig sind, eine Musikerfahrung, die andere nicht machen, mit Bewegungen zu vermitteln? Damit versuche ich erneut, einen Raum für alle aufzumachen. Ich möchte mit meinen Performer:innen einen Abend für alle Sinne anbieten oder, wie man’s nimmt, einen Abend jenseits der Sinne.

Welche Musikstücke werden genau gespielt?

„Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt, „In a Landscape“ von John Cage und „Six pianos“ von Steve Reich. Die Kombination dieser Stücke hatten der Pianist Zoran Imširovic und der Klangkünstler Conrad Hornung bereits vorher als musikalische Reise konzipiert. Nachdem ich mir ihre Vorlage angehört hatte, habe ich mit Zoran gesprochen und ihm gesagt, dass ich diesen musikalischen Trip total interessant finde und gerne in eine Musik- und Tanzperformance umsetzen möchte.

Nachdem das Projekt zustande kam: Wie hast du mit deinen Tänzer:innen geprobt?

Zunächst haben wir die Performer:innen dazu aufgefordert, sich die Musikstücke anzuhören und zu beschreiben, welche Geschichten sie beim Anhören vor ihrem inneren Auge sehen. Dabei sind sehr spannende, zwischenmenschliche Geschichten entstanden. Was ich faszinierend fand: wie ähnlich diese Geschichten waren. Unabhängig voneinander kamen bei uns fast identische Bilder auf, es gab da unverhofft einen „common ground“. Was zeigt, dass in diesen Musikstücken eine Metaphorik, eine Wahrheit steckt, die wir alle fast ähnlich wahrnehmen. Ich habe dann versucht, Elemente aller Geschichten in eine zu verschmelzen.

Hört man denn nun in der Performance zuerst die Musik und sieht dann dazu die Bewegung?

Alles entsteht gleichzeitig im Moment. Zoran Imširovic spielt live die klassischen Stücke, die uns bereits bekannt sind, und Conrad Hornung improvisiert dazu Klänge, gibt zum Beispiel bei Steve Reich Beats hinzu. Die Musikstücke werden durch die Sounds auf eine andere Ebene gesetzt, diese Ebene kommt an dem Abend dazu. Die Klangkunst hatten wir bei den Proben nur als Skizze vorliegen, die erleben wir dann in ihrer ganzen Ausgestaltung spontan im Raum.

Wer hörbeeinträchtigt ist, sieht dann die Bewegung und kann im Idealfall die Musik hören?

Genau! Wenn man die Musik nicht hören kann, hat man vielleicht durch die Geschichten, die wir erzählen, durch die Qualität der Bewegungen eine Idee, was akustisch gerade vor sich geht. Das ist meine Wunschvorstellung: Dass man mit seinen Sinnen etwas wahrnimmt, das dem Wesen, dem Charakter der Musik nahekommt. Wir laden ausdrücklich Menschen mit Hörbeeinträchtigung zu diesem Abend ein. Ich habe dem Ganzen den Untertitel „Ein gelebtes Experiment“ gegeben, weil wir einfach nicht planen können, ob unser Vorhaben auch funktioniert. Aber wir öffnen dieses Projekt jetzt einfach und heißen alle herzlich willkommen!


Tanztendenz München e.V. wird gefördert
durch das Kulturreferat der LH München