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Mehr erfahren zu Tanz in München! Im TTmag sprechen Tanzschaffende über Ihre Ästhetik und Herangehensweise, werden Tanzformate und Münchner Tanzthemen unter die Lupe genommen!
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Gespräche zu Stücken Katja Wachter: The Show Must Not Go On
Was hat dich am meisten überrascht in den Interviews mit den jungen Musicaldarsteller:innen?
Erstaunt war ich, dass von allen Interviewpartner:innen Erlebnisse von Diskriminierung oder Grenzüberschreitungen beschrieben wurden, diese aber ganz unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wurden. Das ging von klaren Forderungen nach Veränderung bis hin zum „das ist eben so, macht nichts.“ Erstaunt war ich außerdem, wie extrem niedrig das Selbstwertgefühl von vielen in der Branche ist. Wo ich mich, zusammen mit den Darsteller:innen gefragt habe: wo rührt das her?
Wie seid ihr, du und deine Dramaturgin Alina Tammaro, bei der Auswahl der Texte vorgegangen?
Wir hatten einen Fragenkatalog entwickelt und aus den Antworten haben sich dann wiederum inhaltliche Themenblöcke herauskristallisiert. Zu manchen dieser Themenblöcke wollten wir eine Vielzahl von Stimmen mit ähnlichen Erfahrungen hörbar machen, manchmal aber auch eine Stimme exemplarisch für die vielen stehen lassen. Da war die Auswahl oft extrem schwierig, weil wir sehr viele erzählenswerte Aussagen und Sichtweisen hatten. Da hieß es immer wieder zu verknappen und zu prüfen: Was wollen wir erzählen, und wie wollen wir es erzählen?
Wie hast du die Szenen mit den Darsteller:innen erarbeitet
Wir haben zunächst viel zu Themenblöcken und verschiedenen Interviewaussagen improvisiert, Momente gesucht, wie man die gewohnte Ästhetik des Musicals brechen kann, mit den drei Elementen Sprache- Gesang- Tanz experimentiert und Wege des Zusammenspiels erforscht.
Es war diesmal ein recht kollektives Arbeiten mit vielen Diskussionen, da ich ja die Expertise der Darsteller:innen - gerade auch was das Musikalische betrifft - künstlerisch anzapfen wollte. Die dramaturgische, inhaltliche Struktur hat dann geholfen, die vielen losen Einzelteile zu binden und letztendlich wechseln sich improvisierte und festgelegte Elemente permanent ab.
Was denkst du, müsste sich ändern? Welche neuen Narrative bräuchte es, oder wollen die Leute genau diese Art von Show? Das scheint ja noch gut anzukommen?
Klar ist es schwierig, das Bild von Musical, das für leichte Unterhaltung und Eskapismus steht, zu verändern. Da bräuchte es vor allem den Willen und die Bereitschaft der produzierenden Seite, nicht nur auf die sichere Einnahmequelle zu schielen, und man müsste die Gleichung Musical=Kommerz, die anderen Sparten=Kunst aufbrechen. Ich glaube, dass man ein Publikum langsam an eine Veränderung heranführen kann, so dass Sehgewohnheiten aufgebrochen werden können. Wenn ich sehe, was für Experimente im Theater oder selbst in der Oper z.B. mit Klassikern unternommen werden, und das an großen Häusern, denke ich immer: warum nicht beim Musical?
Wie ist das Arbeiten mit Musicaldarsteller:innen im Vergleich zu Tänzer:innen?
Improvisierte Bewegungspassagen, die für sich selbst stehen, gibt es wohl kaum im Musical, so dass das eine große Herausforderung für die Darsteller:innen war. Der Umgang mit individuellem Spielraum in zeitlichen Abläufen, wie auch in einer Bewegungssprache war erst mal unsicheres Terrain. Dem werden Tänzer:innnen schon in der Ausbildung viel stärker ausgesetzt, entwickeln da ein anderes Selbstbewusstsein. Andererseits hat man mit Musicaldarsteller:innen Leute auf der Bühne, die ihre Stimme ganz anders einbringen können, gewohnt sind, Texte zu lernen und zu sprechen und die mal eben so während des Tanzens ein komplexes Klanggemälde zeichnen können.
Was erwartet uns?
Es ist wirklich ein Genremix, der irgendwie zwischen allen Stühlen sitzt, mal aussieht wie zeitgenössischer Tanz, dann wie Dokumentartheater wirkt und dann an ein Konzert erinnert. Es ist ein bisschen das Gegenteil von Minimalismus, da es immer wieder zu Akkumulationsmomenten kommt, die Themen „immer mehr“ und „ zu viel“ durchdringen den Abend quasi leitmotivisch.
Wir versuchen den Spagat, sowohl ein Musical-Fachpublikum, wie auch Menschen, die mit dem Genre bisher keine Berührungspunkte hatten, anzusprechen, und hoffen, allen ein paar neue Denk-und Fühlmomente zu bescheren.
Das Gespräch führte Beate Zeller.
“The Show Must Not Go On” findet von 05. − 07. Oktober 2023 um 20:30 (Do-Sa) + am Sonntag, den 08. Oktober um 18:00 im schwere reiter statt: INFO
Mehr zu Katja Wachter: Website
Tanztendenz München e.V. wird gefördert durch das Kulturreferat der LH München
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